Erfahrungsbericht über die Teilnahme am Test für Medizinische Studiengänge (TMS) am 12. Mai 2012 in Lingen
Mehr als 200 Menschen haben sich in Lingen (Ems) vor der Halle 4 versammelt um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Sie alle versuchen durch die Absolvierung des TMS ihre Zugangschancen zum Medizinstudium zu verbessern. Die Herkunft ist sehr unterschiedlich. Die Nummernschilder der Autos reichen über Dortmund, Düsseldorf bis Berlin.
09:15 Uhr Die Spannung steigt. Nach Vorlage des Personalausweises an der Registrierung und Empfang eines „Konzertbändchens“ vom TMS, geht es in die vorgesehenen Sitzbereiche. Der DRK Lingen sorgt indes für die Bewachung der eigenen Kleidung.
Nachdem die mitgebrachte Energie in Form von Brötchen, Cola, Traubenzucker oder Früchten am Eingang kontrolliert wurde (alles musste in durchsichtigen Tüten verpackt werden) gilt es sich einen Sitzplatz im zugewiesenen Sektor auszusuchen. Hier kippelt der Stuhl, dort zieht es, also noch ein- zweimal umsetzen.
09:30 Uhr Eine jugendliche Stimme ertönt vom vorderen Pult. Er duzt uns – wenigstens nicht zu offiziell. Dem Gesagten wird aufmerksam zugehört; Er erklärt, dass er alles ablesen müsse, damit sich der Wortlaut nicht ändere. Er scheint sich genauso vorzukommen, wie es klingt: Blöd.
Jetzt – die letzte Chance. Es dürfen noch einmal „Nicht-erlaubte-Gegenstände“ nach draußen gebracht werden. Keiner meldet sich, betretenes Schweigen. Auch Fragen hat niemand mehr.
Die Testleitung erklärt uns, dass deutschlandweit relativ synchron gestartet werden muss. Somit haben wir noch einmal 10 Min. Verschnaufpause.
Der jeweilige Sitznachbar ist inzwischen beinahe bekannt wie ein langjähriger Genosse. Kampf- oder Leidensgenosse – Wir beide wollen ins Studium. Es wird noch ein letztmaliges „Viel Glück“ getauscht und nach dem Vorlesen der Aufgabenstellung geht’s los.
„Sie haben für die folgende Aufgabe 60 Min. Zeit, bitte beginnen Sie jetzt!“
Schweigen…
Viermal wird dieses Schweigen unterbrochen. „Die Aufgabenzeit ist beendet, bitte schreiben Sie nicht mehr, sondern blättern in den nächsten Aufgabenbereich. Bitte beginnen Sie jetzt.“ Stoppuhr Reset – Start – weiter geht’s.
12:30 Uhr: Mittagspause.
Vorher noch der Test für konzentriertes Arbeiten. Eine DIN A 4 Seite „pq“ in wirrem Wechsel. Jeweils das erste p vor einem q soll durchgestrichen werden.
Hierbei habe ich, anders als bei einigen anderen Teilen, Glück. Als ich nach 7 Min. aufschaue hat noch keiner diesen Teil gelöst – scheinbar bin ich der Erste.
Doch jetzt gibt es erst einmal etwas zu essen. Das Gehirn läuft auf Hochtouren, die Stirn hämmert und es fällt einem schwer seine Augen wieder auf das normale Blickfeld einzustellen. Schnell werden noch die eigenen Lösungsstrategien mit dem Sitznachbar eruiert – Wie viel hast du geschafft? Bist du fertig geworden? – bis es in die Mittagspause geht.
Viele lächeln, wirken noch frisch. Scheinbar ist der Test für sie gut verlaufen.
Die stunde Erholung wird von allen sehr unterschiedlich verbracht. Einige Essen ihre mitgebrachten Brote, andere gehen kurz zum nahe gelegenen Supermarkt oder holen sich etwas Deftiges aus der Stadt. Doch alle versuchen ihren Geist wieder freizumachen und sich, mehr oder weniger gut, auf den nächsten Teil in einer Stunde vorzubereiten.
Um halb Eins heißt es dann: Tore auf für den zweiten Teil.
Die Aufregung ist groß. Ich bin nicht der Einzige, der zweimal wieder zu seinem Rucksack muss.
Zunächst vergaß ich meinen Personalausweis im Rucksack und dann das Handy in meiner Hosentasche.
13:45 Uhr: Start des Nachmittagsblockes
Erste Aufgabe: Auswendig lernen.
Rund 12 Figuren sowie einige Fakten zu fiktiven Patienten müssen innerhalb von 10 Minuten so im Gehirn miteinander verknüpft werden, dass diese nach einer Stunde (in dieser Zeit gilt es Textaufgaben zu bearbeiten) möglichst fehlerfrei wiedergegeben werden können.
Die Anspannung aller ist deutlich wahrnehmbar und die ausgelassene Stimmung wie zu Beginn des ersten Blockes ist ein wenig verflacht. Keiner grinst mehr vor sich hin, als der Testleiter seinen diktierten Text abliest, sondern die meisten versuchen vielmehr ihre Denkmaschine wieder in den zweiten, bzw. dritten Gang zu bugsieren, um nicht allzu viel Zeit zum „warmlaufen“ zu verbrauchen.
Die Textaufgaben sind schwierig und ich empfinde sie viel komplexer und schwieriger als in den Übungsheften. Zudem erscheinen mir die angebotenen Antworten teilweise unlogisch und die richtigen Kausalketten lassen sich für mich mehrmals nur durch die Kombination der einzelnen Antwort- und Fragemöglichkeiten erschließen.
15:00 Uhr Die Repetition der Muster gelingt halbwegs gut. Doch war das Loch in der kreisrunden Höhle mit der Dreiecksform jetzt etwas weiter in der Mitte oder eher links? Mist – die knapp vier Stunden ununterbrochener Konzentration machen sich jetzt voll bemerkbar.
Nichtsdestotrotz: Die Zeit ist vorbei – weiter mit der nächsten Aufgabe; Diagramme und Tabellen gilt es jetzt zu überprüfen. Gesucht wird entweder, ähnlich der vorherigen Aufgabe, die einzig richtige oder einzig falsche Antwort.
16:15 Uhr: Endlich geschafft!
Alle Menschen schauen müde umher, die Anstrengungen der letzten fünf Stunden sind Ihnen deutlich anzusehen. Die Gespräche starten wieder – wie hast du dies gemacht? Hast du jenes komplett geschafft? – während die letzten Papierbögen von den Testleiterinnen und – leitern eingesammelt werden.
Viele können es kaum noch erwarten nach Hause zu kommen. Schnell leeren sich die Plätze und es erinnert außer den weißen Tischen mit den Buchstaben der Sektoren nichts mehr an die fünfstündige Denkleistung der rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch die Testleiter beeilen sich ihre Züge gen Heimat zu erreichen.
Draußen ist es kalt und regnerisch.
Wie passend denke ich.
Denn selbst vielen der angehenden Abiturienten ist eine gewisse Resignation anzumerken. „Ich habe jetzt den TMS gemacht und mein Bestes gegeben – vielleicht bringt er ja etwas. Aber ob wir dadurch wirklich einen Studienplatz bekommen?“, dachten viele.
So stellt sich schlussendlich nur (noch) eine Frage: Wie viel Engagement will der Gesetzgeber noch verlangen und wie groß soll der Mangel an Ärzten noch werden, bis er endlich ausreichend reagiert und die gesetzliche Zugangsregelung über die Abiturnoten ändert?
Denn gute Abiturnoten und das scheinen, schaut man sich die Zulassungsbedingungen an sogar die Universitäten zu verstehen, machen noch lange keinen guten Mediziner.
Jan-Pit Krause